Geschichte der Gartensiedlung Neugebäude
Vereinshaus in den 50-er Jahren. Damals noch im Anbau des heutigen Schutzhauses (auf unserer Facebook Fanseite haben wir eine umfangreiche Sammlung alter Fotos)
Die Anfänge Die nähere Umgebung unserer Siedlung ist äußerst geschichtsträchtig. Das Schloss Neugebäude, dem unsere Siedlung seinen Namen verdankt, ließ Kaiser Maximilian II. als Lustschloss mit Ziergärten und einer Menagerie erbauen. Ganz in der Nähe, im Schloss Kaiserebersdorf, soll ja Wiens erster Elefant gelebt haben und bestaunt worden sein. Das Schloss Neugebäude gilt als das einzige Renaissance-Schloss nördlich der Alpen. Teile des Schlosses waren prachtvoll ausgestattet, nur leider konnte es nie fertig gestellt werden. Berauschende Feste und Jagden, vor allem auf Wildschweine, wurden veranstaltet. Übrigens, soll das letzte erst am Beginn der 50-er Jahre von einem gewissen Hrn. Frank geschossen worden sein! Nach dem Tod Kaiser Maximilians II. begann der Verfall des Schlosses. Erzherzogin Maria Theresia hatte kein Verständnis für die Erhaltung eines Lustschlosses und verwendete die vorhandenen Kunstschätze als "Ersatzteillager" für Schloss Schönbrunn. So stammten zum Beispiel die Fresken auf der Gloriette vom Schloss Neugebäude. Jenes Gebiet, auf dem sich unsere Siedlung befindet, war vor dem Ersten Weltkrieg ein Exerzierfeld. In den Türmen, die heute das Krematorium begrenzen, wurde Schwarzpulver gelagert. Nach dem Ersten Weltkrieg hatten Wiens Stadtväter die Idee, dieses brach liegende, als Viehweide genutzte Land als Kleingärten der Wiener Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Als Geburtsstunde unserer Anlage darf der 20. April 1919 angesehen werden, gegründet unter dem Namen 1. Simmeringer Kleingärtnerverein, Kolonie Neugebäude. Jene Männer, die damals das Gebiet in Kleingärten aufteilten, waren keine Geometer; sie pflockten die Grundstücke nach "Augenmaß" ab. Das ist uns allen schon aufgefallen, da die Grundstücke die unterschiedlichsten Größen aufweisen und praktisch keine Grundgrenze im rechten Winkel verläuft. Anfangs durften nur Gerätehütten mit einer Grundfläche von 2 x 2 Metern aufgestellt werden. Durch den Zubau von Veranden wurden diese dann "unerlaubterweise" Jahr für Jahr vergrößert! Nur Gemüsebeete, Obstbäume und Obststräucher durften angelegt werden, eine Wiese war verboten, ebenso Laub-, Nadel- und Nussbäume. Als die Gärten noch reine Schrebergärten waren (Foto © Privatarchiv Findeis) Eigentlich waren diese "Schrebergärten" nur für eine Nutzung im Sommer vorgesehen, doch wegen der herrschenden Wohnungsnot und Armut der Wiener Bevölkerung der Zwischenkriegszeit wohnten viele schon das ganze Jahr in den einfachen Gartenhäuschen.
Die erste Wasserleitung – nur für den Sommerbetrieb – war eigentlich ein Rinnsal! Durch halbzollige Rohre tröpfelte das Wasser mehr schlecht als recht und wurde in Kübeln, Kannen oder kleinen Becken gesammelt. Während der kalten Jahreszeit mussten Siedler ihr Wasser eimerweise von von weit weg holen, von dort, wo heute eine große Autofirma ihren Betrieb hat. Natürlich gab es auch keinen Kanal, nur das so genannte "Kübelklo", das bei Regen als Dünger über die Beete entleert wurde. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die ersten Senkgruben angelegt. Müll war damals kein Thema, es gab ihn nicht! Verrottbare Reste kamen auf den Komposthaufen, Baum- und Strauchschnitt wurden verheizt und Papier so lang mit Teer getränkt, bis es zur Dachdeckung verwendet werden konnte. Den nicht verwertbaren Müll, z.B. Altmetalle, holte ein "Mistbauer" von Zeit zu Zeit ab. Nach dem Krieg Die Nahversorgung klappte recht gut. Obst und Gemüse wurden selbst gezogen und es gab einen Greißler, Herrn Seyka, der seinen Laden im "weißen Haus" auf der Neugebäudestraße hatte. Neben Schubladen mit allen wichtigen Lebensmitteln gab es offene Frischmilch, Wurst und daneben Petroleum! Diese Mischung der Gerüche war einzigartig. Aber Petroleum war wichtig, da erst zu Beginn der 50-er Jahre das Reihenlicht installiert wurde und sodann durch einen einheitlichen Beschluss jeder Garten über einen Stromanschluss verfügte! Eine Verordnung aus dieser Zeit verleitet uns zum Schmunzeln. Es war damals verboten, am Sonntag Wäsche aufzuhängen! Weg 10 vor der Verbreiterung (Foto © Privatarchiv Stenger) Die Wege durch unsere Siedlung waren nur etwa 1½ Meter breit, anfangs weder asphaltiert noch geschottert, sodass bei längerem Regen der Weg zur 71er Straßenbahn einer "Gatschwanderung" gleichkam! Die Wege konnten und durften auch nur mit Scheibtruhen befahren werden und alles Baumaterial musste mühsam in "Hand- und Beinarbeit" von den angrenzenden Straßen hereingeführt werden. Wie gut geht es uns heute!
Aber die Gemeinschaft, Geselligkeit und Hilfsbereitschaft innerhalb der Siedlung war großartig! Gerne setzte man sich abends zu einem Glaserl selbst gebrauten Ribiselwein zusammen, tauschte "Gartenerfahrungen" aus und sang das eine oder andere Lied zum Klang einer Ziehharmonika. War "Manneskraft" angesagt, so hielten alle ebenso fest zusammen. Zweimal – zu Beginn der 60-er Jahre und 1978 – mussten die Siedler jeweils einen halben Meter ihres Gartens für die Wegverbreiterung zur Erreichung der gesetzlich geforderten Wegbreite von 4 Metern abtreten. Dabei mussten auch die Strommasten einen neuen Platz finden. Unter dem Motto "Gemeinsam sind wir stark" wurde bei jedem Wetter gegraben. Die Frauen sorgten für die nötigen Stärkungen. Sportlich waren unsere "Jungs" natürlich auch. Der Kleingartenverein hatte eine eigene Fußballmannschaft mit beachtlichen Erfolgen. Sogar einen Jugendclub gab es und viele, die heute bereits im "gesetzteren" Alter sind, erzählen gerne von ihren damaligen Erlebnissen, immer mit einem ganz besonderen Glanz in ihren Augen! Auch unser Schutzhaus hat eine wechselvolle Geschichte hinter sich. Vorerst war das "Hüttchen" gedacht als Unterstand bei heftigen Unwettern und befand sich dort, wo heute im Weg 7 die Küche des Schutzhauses ist. Dann entwickelte sich daraus eine Kantine, der ein Bereich angeschlossen war, in welchem die "Vereinsleitung" residierte, um die Pacht zu kassieren und zu beraten. Daneben befand sich eine russische Kegelbahn! Dort, wo sich heute die Garage auf der Parzelle 139 befindet, war einst der Materialausgaberaum. Hier konnten die Siedler Torfmull, Zement und Sand in kleinen Mengen beziehen. Es gab auch das wichtige "Giftkammerl", wo die damals "äußerst wichtigen" Spritzmittel ausgegeben wurden. Erst im Jahre 1953 wurde unter dem Obmann Matejka der Vereinssaal an das Schutzhaus angebaut, in dem sich bald darauf ein "Schillingkino" etablierte. Jeden Samstag und Sonntag gab es durch ein Mitglied der Siedlung Filmvorführungen zum Preis von einem Österreichischen Schilling! Kurze Zeit danach wurde das heutige Vereinshaus errichtet, dem auch eine Greißlerei angeschlossen war. Für einige Zeit gab es wieder eine Nahversorgung. Arbeiten im Weg 4 vor der Umwidmung (Foto © Privatarchiv Kaiser) Gegen Ende der 70-er Jahre wurde unsere Anlage an das Kanalnetz angeschlossen und trotz des vehementen Widerstandes einiger Siedler auch an die Gasversorgung. Ein großes Dankeschön an den Weitblick der damaligen Vereinsleitung!
Im Herbst 1977 schuf ein Wiener Landesgesetz den neuen Siedlungstyp "Gartensiedlung". Nach dem neuen Gesetz konnten Schrebergartensiedlungen umgewidmet werden; man konnte ständig im Grünen wohnen, das Baurecht erlangen oder den Garten kostengünstig erwerben und Häuser mit einer größeren Grundfläche errichten. Unter dem Obmann Alfred Koll haben sich die "Simmeringer Neugebäudler" zur Umwidmung entschlossen und gleichzeitig wurde auch eine neue, leistungsfähigere Wasserleitung gebaut.
Das Jahr 1980, die Umwidmung Im Jahre 1980 entstand die Gartensiedlung Neugebäude in ihrer heutigen Form. Mit der Verlängerung der U3 am 2. Dezember 2000 sind wir ganz nahe an die Stadt gerückt und leben hier trotzdem wie in einem kleinen Dorf, mit all seinen Vor- und Nachteilen. Dieses Zeitdokument wurde von Frau Helene Stenger in Zusammenarbeit mit Herrn Pfeiffer, Herrn Ruzicka, Herrn Fink und Herrn Haberer erstellt. Alle sind oder waren sie langjährige Bewohner unserer Siedlung. zum Seitenanfang |
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